Eine Kooperation zwischen Startup und Corporate hat definitiv eine Vielzahl an positiven Aspekten für beide Parteien. Startups erhalten die Kunden- und Markzugänge, die für deren Wachstum wichtig sind, Technologieaustausch und -Weiterentwicklung findet statt und beide Seiten verzeichnen ein Wachstum – sei es auf Umsatz- oder Unternehmensseite.

 

Doch anscheinend ist noch Luft nach oben, wenn es um Kooperationen zwischen Startups und Corporates geht. Das zeigt auch ein einfaches Experiment: googelt man die Schlagworte „Startup“ und „Kooperation“ weisen umgerechnet vier von acht Artikeln darauf hin, dass große Unzufriedenheit in der praktischen Umsetzung der Zusammenarbeit herrscht.

Auch die Boston Consulting Group zeigt in ihrer Studie „After the Honeymoon Ends: Making Corporate-Startup Relationships Work”, dass (nur) 55% der Corporates und 45% der Startups vollkommen zufrieden mit ihren jeweiligen Kooperationen sind.

Woher kommt diese Unzufriedenheit und was macht eine für beide Seiten zufriedenstellende Kooperation überhaupt aus? Diesen beiden Fragen stellen wir uns in diesem Artikel.

„Most collaboration don’t meet expectations”

Dr. Ulrich Schmitz, CTO von Axel Springer, brachte es in der BCG-Studie auf den Punkt: „Startups und Corporates verfolgen unterschiedliche Ziele. Diese Tatsache müssen beide Seiten verstanden und verinnerlicht haben.“

Deshalb gehen wir den verschiedenen Erwartungshaltungen von Startups und Corporates auf den Grund und evaluieren woran diese oftmals scheitern.

Startups als ambitionierte Jungunternehmen streben vor allem nach Wachstum – Umsatz, Marktanteile, Kunden. Dafür braucht es Vertriebs-, Marketing- und Entwicklungsressourcen. Jedoch sind Startups schnell, weil sie die mühsamen demokratischen Prozesse von Willensbildung und Entscheidungsfindung ignorieren können, die oftmals in Großkonzernen beachtet werden müssen. Ein Corporate hingegen bietet idealerweise Marktmacht, Kundenzugänge, finanzielle Stabilität und Sichtbarkeit. Davon ist auch Christian Inzko von IoT40 Systems überzeugt: „Für uns ist eine Kooperation ein großer Vorteil, da es uns einen Marktzugang ermöglicht, den wir als kleines Unternehmen nie selbst erreichen könnten.“

Das Image eines großen Partners ist nicht zu verachten! Gründer erklären: „Es geht uns nicht um die Finanzierung, sondern um die Marke. Das stärkt unsere Position vor Investoren“. Mit einem starken Partner, dessen Reputation aber auch Marktstärke, Branchenexpertise und finanziellen sowie personellen Mitteln lassen sich die eigenen Lösungen einfacher skalieren und Kunden überzeugen. Davon ist auch Christos Lithoxopoulos von Neogramm überzeugt: „Corporates haben eine höhere Sichtbarkeit, meist bestehende Geschäftsbeziehungen und eine gewisse Reputation, was die Kundenansprache erheblich vereinfacht.“

Wir fassen zusammen, Startups versprechen sich Kunden- und Marktzugänge, Sichtbarkeit und eine einfachere Skalierung ihrer Lösung von einer Kooperation.

Auch die Erwartungshaltung aus Corporate Sicht hat eine Vielzahl von Aspekten, allen voran verspricht man sich durch die innovativen Lösungen eines Startups neue Geschäftspotenziale, die mit steigenden Umsätzen verbunden sind. Christian Wetzel vom Startup Voxelgrid weist darauf auch deutlich hin. „Der Corporate und wir als Startup sollten gemeinsam mehr Geld verdienen, als wenn wir es beide alleine versuchten!“ Eine Kooperation ermöglicht zudem den Zugang sowie die Weiterentwicklung von neuen oder bestehenden Dienstleistungen und Produkten durch trendorientierte Technologien.

Durch gemeinsame Projekte verspricht sich ein Corporate zudem oftmals eine kulturelle Weiterentwicklung hin zu einem „digital Mindset“. Agile Herangehensweisen, neue schnelle Prozesse und der Zugang zu Innovationen und modernen Technologien können dazu beitragen, traditionell geprägte Unternehmen zu erneuern und die eigene Innovationsfähigkeit zu stärken.

„Corporates begegnen Startups mit Arroganz“

Diese Kritik äußerten einige (23%) der rund 320 befragten IT- und Internet Startups in einer Studie der Bitkom im Frühjahr 2019. Doch woran scheitern die Erwartungen und damit auch die Kooperationen zwischen Startups und Corporates?

Grundlegend sind es die unterschiedlichen Arbeits- und Herangehensweisen der Kooperationspartner, die für Unzufriedenheit sorgen. Startups als agile Unternehmen sind in der Lage dank schneller Prozesse „über Nacht“ Lösungen für ein Problem zu finden. Corporates hingegen haben diese Agilität oftmals nicht. „Bei Startups ist zu berücksichtigen“, erklärt Nikolas Rössler von SO NAH, „dass die Kommunikation und Projektdurchführung sehr effektiv gestaltet werden muss. Ein Konzern ist in der Lage viele Meetings zu führen […]. Startups haben diese Kapazitäten meist nicht.“

Langwierige Prozesse und Entscheidungsfindungen führen bei Startups demnach oft zum Dealbreakern.

In unseren Gesprächen mit Startups zum Thema „erfolgreiche Kooperationen“ wurde das Thema Augenhöhe immer wieder thematisiert. Diese ist den Startups nicht nur in Bezug auf offene und transparente Kommunikation wichtig, sondern auch bei der fairen Verteilung von Profit und Gewinn.

Eine Kooperation zwischen Startup und Corporate verbindet viele Kompetenzen – sei es fachlich, technologisch oder vertrieblich. Diese muss auch finanziell fair gestaltet werden.

Einige Startups bemängeln hier eine unausgewogene Nehmer/Geber-Mentalität großer Corporates. Sebastian Grüter von semasquare fasst das zusammen: „Eine Kooperation sollte einen konkreten Mehrwert schaffen und nicht nur ein Projekt sein, um etwas mit Startups zu machen.“

Hier kommt auch das Thema Wertschätzung zur Sprache. Nicht nur Startups bemängeln, dass man sie nur dem „Startup-Status“ wegen in Betracht zieht, weil es eben en vogue ist.

Startup plus Corporate gleich Unzufriedenheit?

Wir fassen zusammen: ausschlaggebende Faktoren für eine Unzufriedenheit sowohl auf Seiten des Startups als auch auf der des Corporates sind schwierige und zeitaufwendige Entscheidungsprozesse, die sich auf die unterschiedlichen Entwicklungsstadien der beiden Unternehmen zurückführen lassen. Dazu kommt die Tatsache, dass sich beide Parteien nicht in der gleichen Geschwindigkeit bewegen und weiterentwickeln was oftmals in Projektsituationen deutlich wird. Schlussendlich treffen verschiedene Erwartungshaltungen aufeinander, welchen es mit offener und transparenter Kommunikation und Verständnis für die jeweils anderen Herangehensweisen zu begegnen gilt.

„Erfolgsfaktoren für eine Kooperation“

Grundlegend gibt es keine „goldene Regel“ für erfolgreiche Kooperationen zwischen Startups und Corporates. Jede Kooperation ist individuell. Dennoch haben wir im Rahmen unserer Projekte mit Startups und vielen Gesprächen mit Gründern vier Faktoren destillieren können, die zu einem gemeinsamen Erfolg beitragen.

Klare Absprachen treffen

Welche Inhalte sollte die Kooperation behandeln? Handelt es sich dabei um die gemeinsame Umsetzung von Kundenprojekten oder soll ein Produkt (weiter)entwickelt werden? Auch gilt es vorab zu klären welche Inputs das Startup und der Corporate jeweils einbringen.

Stefan Eckart von Smart City System bringt das auf den Punkt. „Eine Ergänzung der Partner muss wie bei jeder Kooperation gegeben sein. Einer hat beispielsweise die Technologie und Innovationskraft, der andere das Kundenverständnis und -nähe.“

Transparenz und eine offene Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Erwartungsmanagement spielt dabei eine wichtige Rolle. Beide Parteien müssen wiederholt aufzeigen, was sie sich vom jeweils anderen erwarten und welche Ziele verfolgt werden. „Dazu gehört auch über Herausforderungen und Misserfolge zu sprechen, diese zu akzeptieren und basierend darauf neue Ziele zu definieren“, so Nikolas Rössler von SO NAH.

Gemeinsames nachhaltiges Geschäft bauen

Eine Kooperation ist keine Eintagsfliege, sondern lebt von vielen gemeinsamen Projekten und gegenseitiger Weiterentwicklung. Deshalb ist es wichtig, dass Startup und Corporate einen gemeinsamen Business Nutzen definieren und eine „Marschrichtung“ festlegen.

Dr. Bernhard Kirchmair, Chief Digital Officer der VINCI Energies in der DACH-Region, beschreibt dieses Vorgehen ebenfalls. „In einem ersten Schritt haben wir digitale Handlungsfelder wie beispielsweise Smart Industry oder Smart City definiert und mit einem Angebotsportfolio versehen. Diese Felder treiben wir sowohl intern als auch extern massiv voran. In einem zweiten Schritt suchen wir strategische Startup-Partnerschaften, die sich thematisch an unseren Handlungsfeldern orientieren. Nur so können wir langfristig gemeinsam erfolgreich sein!“

Es gilt demnach Fragen zu klären wie „welche Synergien haben unsere beiden Unternehmen“ und „welche gemeinsamen Lösungen können wir entwickeln, die auch langfristig umsetzbar sind“.

Augenhöhe

Ein Begriff der uns sowohl in diesem Artikel als auch in den Gesprächen mit Startups immer wieder begegnet ist. Es liegen ganz klar Unterschiede vor, wenn man ein Startup und einen Corporate als Unternehmen miteinander vergleicht – sei es bei der Anzahl an Mitarbeiter, der Höhe der Umsätze oder dem Bekanntheitsgrad.

Und gerade deswegen ist eine offene und transparente Kommunikation wichtig, damit nachhaltig Mehrwerte für beide Parteien erzielt werden können. „Das bedeutet, dass beide Seiten Annäherungen und Kompromisse hinsichtlich organisatorischer, inhaltlicher aber auch kommerzieller Belangen eingegangen werden muss“ sagt auch Christos Lithoxopoulos von Neogramm.

Eine Kooperation ist nur dann erfolgreich, wenn beide Seiten davon profitieren und Vorteile erhalten. Das müssen Startups und Corporates verstanden haben. Denn nur so erwartet keine Partei ein Anrecht auf eine machtvollere Position.

Ansprechpartner und Sponsor festlegen

Konzernprozesse sind für jedes Startup ein Graus, eine transparente Kommunikation fällt dabei schwer. Von Seiten des Startups und des Corporates sollte es daher einen festen Ansprechpartner geben, der sich mit der Kooperation befasst. Diese Personen klären während der gesamten Zusammenarbeit Themen wie Verträge, Rechnungen, Marketing oder Vertrieb. Projektseitig können diese Ansprechpartner variieren, sollten aber immer in Kontakt mit den Hauptansprechpartnern stehen.

Zudem ist es sinnvoll, wenn es auf Corporate Seiten einen Sponsor gibt. Jemanden der die richtigen Ansprechpartner im Unternehmen mit dem Startup zusammen bringt und auch während späterer Projektsituationen notwendige Kontakte herstellen kann.

Jörg Bastel, Digital Acceleration Manager der VINCI Energies Digitalschmiede, hat eine solche Rolle. „Für mich ist es unter anderem wichtig, das jeweilige Startup mit der richtigen Business Unit im Unternehmen zu verknüpfen. Dort sitzen die Kunden und die Herausforderungen, bei welchen die Startups ihr volles Potenziale entfalten können.“

„Nicht alles was glänzt ist Gold“

So vielversprechend eine Kooperation zwischen Startup und Corporate im ersten Moment auch scheinen mag, sind die Erwartungshaltungen unterschiedliche und werden Unzufriedenheiten nicht direkt angesprochen und aus dem Weg geräumt, verläuft nicht immer alles erfolgreich.

Eine direkte und offene Kommunikation ist wie so oft Schlüssel zum Erfolg. Auch eine Berater-Rolle auf Corporate Seiten und feste Ansprechpartner unterstützen eine Zusammenarbeit ebenso wie die grundlegende gemeinsame Ausrichtung einer Lösung.