Digitalisierung ist keine One-Man-Show. Im Gegenteil: Sie erfordert fachliche Nähe, interdisziplinäre Expertise, Nähe zum Kunden, lösungsorientierte Kollaboration und einen Sinnhorizont, der die Transition in ganzheitlicher Sicht verortet. Darüber haben wir mit Jens Beier gesprochen, der als Business Area Manager Business Applications & Data Analytics ganz nah am digitalen Puls der Zeit ist – und großen Wert legt auf „ICT with a human touch”.

 

Redaktion: Herr Beier, was ist Ihnen im Umgang mit Ihren Kunden wichtig?

Jens Beier: In erster Linie die Anforderungssituation zu ergründen, in der sich der Kunde und sein Unternehmen befinden. Was bewegt ihn? Wie sieht seine Digitalisierungsstrategie im Bereich Kundenservice oder Asset Management aus? Was machen die Wettbewerber besser? Was sind Themen, die der Kunde angehen will? Ich finde es immer schlecht, Lösungen parat zu haben oder verkaufen zu wollen, ehe man sich nicht nachhaltig mit den Herausforderungen der Kunden beschäftigt hat. Priorität hat für mich, meinem Gegenüber punktgenau helfen zu können.

Wann ist das der Fall? Wann können Sie sagen: „Wir haben hier wirklich jemandem geholfen“?

Digitalisierung sollte messbar sein. Es muss immer darauf hinauslaufen, dass Prozesse und Abläufe in Unternehmen weniger fehleranfällig und kundenorientierter sind, schneller vonstattengehen und die Wettbewerbsfähigkeit durch all diese Dinge gesteigert wird. Bei der Frage nach Kundenfreundlichkeit oder auch der Cloud-Integration stellen wir beinahe immer fest, dass es viel Raum für Verbesserungen gibt. Durch ein agiles Vorgehen besteht ein hohes Maß an Fortschrittskontrolle und man sieht schon nach einigen Sprints, ob man auf der richtigen Spur unterwegs ist.

Trotzdem scheint es, dass dieser Raum für Verbesserungen nach wie vor eher zögerlich gefüllt wird. Mit welchen Herausforderungen sehen sich Ihre Kunden konfrontiert?

Das ist natürlich höchst unterschiedlich. Es gibt einerseits die Unternehmen, die ihr 100-jähriges Jubiläum feiern, noch immer sehr erfolgreich sind, aber mit Maschinen aus einer Zeit arbeiten, in der es noch gar keine Digitalisierung gab. Andererseits gibt es auch die Organisationen, die die Gnade der späten Geburt hatten, dafür aber in allerlei prozessualen Abhängigkeiten stecken. In Summe erlebe ich, dass die Wahrnehmung der Potenziale gegenüber den Herausforderungen zunimmt. Daher glaube ich auch, dass wir in den nächsten zehn Jahren einen deutlichen Fortschritt erleben werden. Man sollte zudem auch das würdigen, was schon erreicht wurde, ohne in Selbstzufriedenheit zu verfallen. Es gibt auch in Deutschland mehr digitale Success-Stories, als man medial wahrnimmt.

Um das zu vertiefen: Wie nehmen Sie die Realitäten wahr, in denen Unternehmen die digitale Transformation meistern müssen?

Ich würde sagen, mittlerweile hat sich hier eine gewisse Nüchternheit eingestellt. Die meisten unserer Kunden haben ein klares Bild davon, wie es sein könnte, und das ist auch wichtig, denn klare Vorstellungen prägen das eigene Verhalten. Viele Trends sind auch offensichtlich. Die Frage lautet häufiger: Wie sieht die digitale Roadmap meines Unternehmens aus? Das Hindernis besteht meist aus den vielen Abhängigkeiten, die die handelnden Personen bedenken müssen. Von: „Naja, wenn man so etwas machen will, muss man ja an SAP dran – und die Leute dafür sind nicht verfügbar.” Oder: „So genau wissen wir auch nicht, wie das mit den Servern und den Lizenzen läuft.” Oder: „Leider fehlen uns die Berechtigungen – und die Budgets sind ohnehin knapp.” Es gibt viele Gründe, warum Unternehmen die digitale Transformation nicht angehen. Aber noch mehr, es trotzdem zu tun, denn nur die Veränderung ist die Konstante! Welche Gründe sollte es geben, offensichtliche Potentiale und legitime Kundenerwartungen zu ignorieren?!

Was spricht denn dafür, es trotzdem nicht sein zu lassen – sondern im Gegenteil: Digitalisierung proaktiv anzugehen?

Nehmen wir das Thema Cloud. Das hat unseren Kunden einen großen Teil der Herausforderungen abgenommen, weil viele Erfordernisse, die es in der Vergangenheit gab, so nicht als Abhängigkeiten da sind. Dass es etwa keinen eigenen Server mehr braucht, die Software nicht selbst installiert werden muss, sondern Anwendungen aus der Cloud jetzt einfach zu konsumieren sind. Es geistern sogar Low-Code oder No-Code als Stichworte durch die Flure. Dadurch sinken die Hürden für die Projekte – vor allem in den jeweiligen Fachbereichen, die sich in der Regel sehr gut mit der Materie auskennen und wissen, wie groß der Nutzen eines ganzheitlichen Systems sein kann.

Können Sie uns ein Beispiel für einen solchen Nutzen nennen?

Vielleicht hilft das Stichwort „Single Point Of Truth”. Das heißt: Auch im Service muss es einen Punkt geben, in dem die Wahrheit steckt, an dem alle Informationen gespeichert sind, nämlich die digitale Kundenakte – und das ist nun mal das SAP: Kundendaten, Maschinendaten, Historie, Serviceberichte, Produktinformationen, Technikerdaten, Konditionen, die Bonität des Kunden usw. Je besser ein solches System gepflegt wird, je mehr echte Daten dort erfasst werden, desto präziser können die Services auf die Bedürfnisse der Kunden oder angepasst an die Technik entwickelt werden. Man denke hier nur einmal an Google, die ihr höchst erfolgreiches Geschäftsmodell quasi auf solchen angereicherten Informationen aufsetzen.

Was ist Ihnen persönlich wichtig, wenn Sie zusammen mit Kunden an einer Lösung arbeiten?

Letztlich sind es immer die Menschen, die solche Lösungen gestalten und entwickeln. Daher braucht man auch immer einen gewissen Grad an Fantasie und Idealismus, um die Digitalisierungspotenziale zu nutzen. Niemandem ist geholfen, wenn wir stumpf dasitzen und nach Schema F irgendetwas im System einstellen, wie wir es vor Jahren mal bei SAP in Walldorf gelernt haben. Es gehört vor allem die Überzeugung dazu, dass das, was wir machen, auch Sinn stiftet.