Die digitale Transformation macht auch vor klassischer Face-to-Face-Kommunikation wie (Fach-)Messen keinen Halt. Vielfach arbeiten Messegesellschaften bisher mit unstrukturierten Insellösungen. Doch das hindert sie daran, sich technologisch und langfristig für die Zukunft aufzurüsten. Potenziale und Synergieeffekte bleiben nahezu ungenutzt. Was müssen Messeorganisationen beachten, um vom Zug der digitalen Transformation nicht abgehängt zu werden?

 

Vor Kurzem rief mich unser Marketing an mit der Bitte um Unterstützung für eine Messeorganisation. Meine Kolleginnen wollten mit mir abstimmen, welche Infrastruktur wir auf einer großen IT-Fachmesse als Aussteller benötigen. Ich bekam einen beeindruckenden Messekatalog an die Hand mit Auswahlmöglichkeiten wie „Push-Notification in Event App“, „Logopräsenz auf Messaging Board am Eingang“ oder „Multimediainhalte auf Videoscreen in Haupthalle“. Alles moderne Ideen, die längst zum Standard gehören, dachte ich. Doch da lag ich falsch. Denn kurze Zeit später, während der Planung für den nächsten Messeauftritt, erhielt ich einen weiteren Messekatalog mit nur einer Auswahl: W-LAN Zugang am Stand für bis zu fünf Personen. Bei näherer Betrachtung verstand ich, dass die beiden Messen unterschiedlicher nicht sein konnten. Das Eine war eine deutschlandweite Publikumsmesse mit über 100.000 Besuchern, das andere eine regionale Fachmesse mit knapp 2.000 Besuchern. Dennoch verwunderte mich das so unterschiedliche Angebot der IT-Infrastruktur. Ist das nicht standardisiert? Nach mehreren Gesprächen fand ich heraus: Nein, ist es nicht – noch nicht!

Neue Anforderungen an Messen

Die globale Messelandschaft verändert sich momentan grundlegend. Die voranschreitende Digitalisierung schafft vielseitige neue Möglichkeiten. Vor allem Handys und Tablets erfahren eine immer größere Bedeutung beim Besuch einer Messe. Schlange stehen für die Registrierung, gedruckte Hallenpläne oder statische Flyer sind passé. Besucher und Aussteller setzen verstärkt auf digitale Informationssysteme. Indoor Navigation, Gast WLAN und Aussteller WLAN sind nur einige wenige Mehrwerte, die heute als Standard vorausgesetzt werden.

Auch für die Messegesellschaften sind Big Data und damit verbunden umfassende Data Analytics inzwischen von zentralem Interesse und der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen schneiden sie ihre Angebote auf die Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen perfekt zu, bündeln und sparen Ressourcen. Die beste Voraussetzung für eine optimale Nutzung der Daten ist eine übergeordnete zentralisierte Infrastruktur mit einer großen Datenbank. Doch genau daran scheitert es in der Umsetzung.

Signifikante Unterschiede bestimmen Infrastruktur

Marketing- und IT-Abteilungen stoßen in ihrer täglichen Praxis immer wieder auf dieselben Herausforderungen. Es gibt zwei große Probleme bei der Entwicklung eines zentralen Ansatzes. Zum einen spielen die signifikanten Unterschiede der jeweiligen Messen eine gewichtige Rolle. Wie im Beispiel beschrieben, hängt die Infrastruktur derzeit immer noch stark von der Größe der Messe ab. Je größer eine Messe ist, desto mehr Budget steht zur Verfügung und desto umfangreicher wird die IT-Infrastruktur aufgesetzt.

Schon heute besteht die Möglichkeit, eine Customer Experience mit einer einheitlichen Messeorganisation zu verknüpfen. Angefangen bei Registrierung, Abrechnung, Beauftragung über die Organisation des Ablaufs von Besuchern, Ausstellern oder Dienstleistern bis hin zu intelligentem Analysieren von Nutzerdaten und Besucherströmen – alles ist möglich. Antworten auf Fragen wie „Wo ist der Besucherhotspot einer Messe?“ oder „Wie viele Besucher waren zum Zeitpunkt x an welchem Stand?“ oder „Wie gut war unsere Marketingkampagne?“ lassen sich einfach ermitteln – für Messen mit dem nötigen Background. Denn das Aufsetzen einer IT-Infrastruktur kostet Zeit, Geld und Manpower.

Dezentrale Strukturen verhindern Weiterentwicklung

Zum anderen verhindert die dezentrale Struktur innerhalb der Messeholding die zentrale und dauerhafte Weiterentwicklung der Technologien. Dies verstand ich, nachdem ich an einem sehr interessanten Roundtable einer großen Messeholding teilnahm. Große Messeorganisationen teilen sich in viele kleine Gesellschaften auf. Jede Messegesellschaft setzt nur bestimmte Messeveranstaltungen um. Ein Austausch zwischen den einzelnen (Schwester-)Firmen findet nur sehr eingeschränkt statt. Dadurch arbeiten sie ausschließlich im Rahmen ihrer Veranstaltungen und legen die Daten in ihren Strukturen ab. Vor allem wenn es um (technologische) Mehrwerte geht, die monetär unterstützt werden müssen, finden die vielen Parteien nicht zu einem gemeinsamen Ansatz. Der Tenor ist in der Regel „Wenn ich viel Geld in die IT-Infrastruktur investiere, warum sollte dann eine andere Firma davon einen Nutzen haben?“ Das schadet auf Dauer jedoch den Messen an sich und gerade kleinere sind hierbei die Verlierer.

Denn: In der derzeitigen Situation müssen Messegesellschaften ihre IT-Lösungen für jede Veranstaltung stets aufs Neue aufsetzen. Die jeweilige IT-Abteilung ist rund um die Uhr damit beschäftigt, allen technischen Anforderungen wie z. B. „All Wireless“ gerecht zu werden. So einfach diese Anforderung klingt, so kompliziert ist sie in der Umsetzung, da das WLAN oft für die Mehrwertdienste verwendet wird. Die Mehrwertdienste aber sollen immer nur von der jeweilig verantwortlichen Messegesellschaft genutzt werden dürfen. Rückschlüsse und Auswertungen untereinander sind unter diesen Voraussetzungen nur schwer möglich. Es zeigt sich, dass die internen Strukturen mit der digitalen Transformation oft nicht mitkommen und es droht, dass der Zug an ihnen vorbeifährt.

Konsolidierung ist der Schlüssel

Sinnvoller ist es, wenn die Messegesellschaften eine Konsolidierung auf mehreren Ebenen zulassen und die Holding einen ganzheitlichen Marketing- und IT-Ansatz für alle zugehörige Gesellschaften implementiert. Daran wäre jede Firma sowohl monetär beteiligt als auch an den daraus zu ziehenden Daten. Somit könnten alle Messen von Handy- bzw. Tablet-Apps, intelligenten Messaging Boards zentraler Datenbank und umfassender Data Analytics profitieren.

In Projekten für Messegesellschaften kümmern meine Axians und Duality-Kollegen und ich mich um genau diese Konsolidierung und technische Optimierung der Messedienste. Dazu gehören in der Regel folgende Handlungsfelder:

  • Flexible Netzinfrastruktur basierend auf modernster Technik (Thema Automatisierung der Netzinfrastruktur in Bezug auf LAN/WAN/WLAN).
  • Sicherheitskonzepte zur Sicherung der eigenen Infrastruktur und Daten
  • Collaboration Lösungen
  • Zentrale Datenablage, Konsolidierung und zusammenführen von Daten (BigData)
  • Analyse und Auswertung der Daten
  • Digitalisierung von Prozessen und Abläufen

Wenn ich also zukünftig mal wieder einen Messekatalog in die Hand bekomme, dann hoffe ich sehr, dass bei allen Messen des Anbieters die Auswahl an digitalen Diensten größer ist und den aktuellen technologischen Möglichkeiten entsprechen. Ich bin mir sicher, dass auch Messebesucher durchgängig digitale Services bevorzugen – vom Effizienzgewinn in der Messeorganisation und -nachbereitung ganz zu schweigen.